onsdag 1 januari 2014

Neue Hackordnung


Es war einmal ein Schreibtisch, der im Zimmer eines Kinds stand. Die Eltern hatten diesen Schreibtisch gekauft, als das Kind geboren war, und Jahre hindurch hatte der Schreibtisch gewartet, dass das Kind alt genug war, um den Schreibtisch zu nutzen. Leider blieb das Kind ein Faulpelz, der niemals seine Hausaufgaben machte, und der Schreibtisch stand nur im Zimmer, unbenutzt und verstaubt.
„Seufzer“, dachte er. „Zwölf Jahre bin ich hier gestanden und kein einziger Satz. Es ist zu Unrecht. Ich hatte einen Zweck. Ich bin mehr als nur eine Fläche mit vier Beine. Ja schon, mit meinen sechs Beinen bin ich kein gewöhnlicher Tisch und die drei Schubladen zwischen diesen vier Beinen machen mich zu einem Tisch vom Schlage eines Bürotisches. Na, vielleicht bin ich zu klein und meine Farbe zu frisch für ein Büro, aber das macht mich nichts schlechter!“
Gerade damals schwebte ein Staubkorn aus irgendwo und fiel gerade an die Nasenspitze des Schreibtisches.
„Jetzt reicht's“, sagte der Schreibtisch und machte sich aus dem Staub.
„Mama, der bekloppt Tisch ist weg!“ rief das Kind. „Kann ich jetzt eine Hängematte bekommen?“
„Ich glaube wir geben den befreiten Platz lieber zu Wohltätigkeitszwecken“, sagte die Mama, und am nächsten Tag zogen zwei herrenlosere Hunde und ein blindes Stinktier in das Zimmer ein.


Es ist nicht leicht für einen Tisch ohne Erfahrung, seinen Platz in der Welt zu finden.
„Ach, die Bäume“, dachte der Schreibtisch, als er in einen Wald kam. „Sie haben es leicht, ihre Äste nach der Sonne zu recken, und die Wurzeln in den feuchten Grund zu schieben. Die Erinnerung dieser Unbekümmertheit habe ich noch in der Maserung meines Holzes.“
Er probierte ein Bein in den Boden zu bohren, aber statt Lebensfähigkeit fühlte er sich kalt und elend. Und plötzlich fühlte er ein Jucken in seiner Sohle und hob das Bein hoch. Eine kleine Stimme sprach:
„Immer ein Spazierstock! Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben! Immer wenn man ein gutes Holzstück findet, ist es ein Spazierstock! Sind sie einmal da, so sind sie auch gleich wieder weg. Keine Zeit um sich niederzulassen.“
Es war ein kleiner Wurm.
„Sei nicht wütend“, sagte der Schreibtisch. „Es gibt kein Spazierstock hier. Nur ich.“
„Kein Stock und trotzdem Holz?“ wunderte der Wurm sich. „Was für ein Ding ist denn das?“
„Na bitte, ich bin ja ein...“ fing der Schreibtisch stolz an, aber dann wurde er traurig. „Ich bin nur ein nutzloser Schreibtisch.“
„Quatsch!“ wiedersetzte der Wurm sich. „Niemand ist nutzlos. Lass mich in deine Fasern eingraben. Dann erfüllst du einen Zweck und ich habe endlich ein Zuhause.“
„Spinnst du? Es tut mir leid, aber das tut weh!“ schrie der Tisch. „Aber, wenn du mir versprichst, mich nicht zu kitzeln, darfst du in meinen Fugen wohnen.“
Dieses Angebot konnte der Wurm nicht ablehnen und die neuen Freunde gingen zusammen fort.
 
Als sie in einen Acker kamen, wollte der Tisch rasten und die Landschaft bewundern. Binnen kurzem landete eine Krähe auf ihm und lief auf der Tischplatte hin und her.
„So eine Vogelscheuche“, überlegte sie. „Gar nicht schrecklich.“
„Er ist keine Vogelscheuche!“ rief der Wurm. „Er ist ein wunderschöner Schreibtisch!“
„Vielmehr ein Mittagstisch!“ kreischte die Krähe los und begann die Fugen aufzupicken.
„Aua!“ wehklagte der Tisch. „Lass uns in Frieden, du böser Schädling!“
„Schädling? Ich?“ staunte die Krähe. „Ich tue dir einen Gefallen, wenn ich dieses Ungeziefer schnappe!“
„Ungeziefer? Wirklich?“ heulte der Tisch erschrocken auf und machte eine Schublade auf. „Geh hinein! Von hier kannst du es besser erreichen!“
Die verfressene Krähe kletterte rein und bald war sie gefangen.
„Du, Würmchen, bist du in guter Verfassung?“ fragte der Tisch besorgt.
„Erstaunlicherweise ja“, antwortete der Wurm. „Aber ich glaube, wenn ich hier bleibe, sind wir beide in Gefahr. Du hast schon Splitter verloren.“
„Ich weiß“, sagte der Tisch. „Lebe wohl! Ich lasse die Krähe erst frei wenn du verdurftet bist.“
So nahmen sie Abschied; traurig, aber glücklich, dass sie mit dem Schrecken davon gekommen waren.
„So eine Gemeinheit“, sagte die Krähe als sie endlich ans Licht kam. „Aber als ich da drinnen war, habe ich mich wie zu Hause gefühlt. Sag mal, könnte ich mich hier einnisten?“
„Na ja, vielleicht wenn du mich nicht mehr pickst“, sagte der Tisch nachgiebig. „Aber vergiss nicht, was mit dem ehemaligen Bewohner passiert ist.“
„Der armer Schlucker?“ lachte die Krähe auf. „Bring mich nicht zum Lachen!“
Die Krähe baute ihr Nest und wohnte eine Zeitlang ganz bequem. Binnen kurzem kam doch eine Katze, die verscheuchte die Krähe und legte sich an die Tischplatte. Die Katze wurde von einem Hund vertrieben, der wiederum, sobald er es sich unter dem Tisch gemütlich gemacht hatte, von einem Hundefänger einkassiert wurde. Der Hundefänger dahingegen wollte nichts mit dem Tisch zu tun haben.
„Schluchzer“, sagte der Schreibtisch. „Wieder allein. Wieder nutzlos. Kein Zweck und keine Lust. Ich bleibe hier und werde morsch. Das ist mir völlig egal.“

Es wurde dunkel. Die Sonne war untergegangen und man konnte schon einige Sterne am Horizont erkennen. Der Tisch schaute sehnsuchtsvoll, als immer neue Sterne wie kleine Nadelstiche eins nach dem anderen am Himmelsgewölbe erschienen.
„Schön, oder wie?“ sagte jemand. „Aber es macht Arbeit.“
„Was macht Arbeit?“ fragte der Tisch.
„Diese Stiche zu stechen“, war die Antwort zu hören. „Jeder Abend muss ich aus meinem Bau kriechen, um diese Stiche zu stechen. Es ist nicht so schwer, aber die Verantwortung ist ganz schön anstrengend.“
„Du machst Witze“, sagte der Tisch.
„Vielleicht ein bisschen, aber kennst du einen anderen Zweck für einen Igel?“
Der Tisch dachte nach, aber nichts fiel ihm ein.
„Du hast doch Glück“, sagte er. „Ich bin ein Gebrauchsgegenstand ohne Gebrauch.“
Er erzählte dem Igel über den Faulenzer, den Wurm, die Krähe, die Katze, den Hund und den Hundefänger.
„Ich meine, ich könnte allen diesen etwas bieten, wenn man mich nur lassen würde.“
„Lass das“, sagte der Igel. „Du bist nicht schuld daran, wenn jemand faul ist oder wenn manche Tiere miteinander nicht gut zurecht kommen.“
„Aber warum ist es so?“ fragte der Tisch.
„Also, zum Beispiel, warum mögen Füchse und Hasen einander nicht?“ warf der Igel ein. „Natürlich haben Füchse lange Schwänze und kurze Ohren, und Hasen das Gegenteil.“
„Aber das ist doch nur ein Witz“, murmelte der Tisch.
„Sei nicht so ein Ernstpeter“, schimpfte ihn der Igel zärtlich aus. „Ich probiere dich nur ein bisschen aufzumuntern. Glücklicherweise kenne ich auch die wahre Geschichte, die, wie ich hoffe, etwas erklären kann.“
Es war einmal ein Fuchs und ein Hase. Vielleicht gab es auch ein paar mehr, aber viel weniger als heutzutage. Damals waren die meisten Tiere Freunde. Nur manchmal gab es Fehden aber sie wurden immer sofort beigelegt.
Jedermann weißt dass Füchse sehr klug sind. Das ist ihr Charakter. Der Charakter der Tiere hat sich über Jahrtausende entwickelt. Das heißt, die Füchse waren nicht von Geburt an klug, und der Fuchs dieser Geschichte war nur so klug weil er sehr viele Bücher gelesen hatte. Heutzutage kennen wir Bücherwürmer und Leseratten, aber hat jemand je von einem Schmökerfuchs gehört? Einen solchen gab es, und weil es in seinem Fuchsbau ganz dunkel war, hatte der Fuchs ganz schlechte Augen und er brauchte eine Brille.

Damals gab es nicht so viele Bücher wie heutzutage, und eines Tages bemerkte der Fuchs, dass er alle Bücher der Welt gelesen hatte. Dann wurde sein Leben sehr langweilig. „Was kann man tun, wenn es nichts zu lesen gibt?“ dachte er bei sich. Kam der Hase.
„Warum maulst du, alter Freund?“ fragte er.
„Ich habe alle Bücher der Welt gelesen“, antwortete der Fuchs.
„Aber dann solltest du stolz sein. Du bist doch der Klügste im Wald.“
„Na, das ist doch nicht schwer“, nuschelte der Fuchs in seinen Bart.
„Hmh...“ mummelte der Hase. „Vielleicht bin ich nicht so klug wie du, aber das weiß ich doch: Jammern macht Nichts besonders besser. Nun, wenn du nichts dagegen hast, werde ich dich jetzt verlassen, um ein paar Mohrrüben zu essen.“
Ging der Hase.
Vielleicht bin ich nicht so klug wie du?“ murmelte der Fuchs vor sich hin. „Ja, vielleicht... Iss doch ein paar Mohrrüben, vielleicht wirst du dann noch ein bisschen besserwisserischer...“

Kam Herbst und ging Winter. Im Frühling saß der Fuchs neben seinem Bau deutlich vergnügt. Der Hase kam und bemerkte die Freude seines Freunds.
„Na, du scheinst so froh! Worüber freust du dich so?“ fragte er.
„Du erinnerst dich doch daran, dass ich alle Bücher der Welt gelesen habe?“
„Ja, an so etwas erinnere ich mich.“
„Und du hast mir geraten mich nicht zu ärgern.“
„Eigentlich sagte ich, dass du nicht jammern sollst. Aber ja, warum sich um etwas sorgen, wenn man nichts tun kann?“
Der Fuchs schlug seine Faust an einen Baumstumpf.
„Nein! Manchmal kann man etwas tun!“
„Und? Hast du denn etwas getan?“
„Natürlich“, sagte der Fuchs stolz. „Als es keine Bücher mehr gab, habe ich selbst eins geschrieben!“
„Das ist doch was! Wenn ich nur lesen könnte...“ sagte der Hase sichtlich enttäuscht.
„Na, lassen wir uns darüber kein Sorgen machen. Ich habe nämlich eine Buchpräsentationsparty organisiert, bei der ich das Buch vorlesen werde. Natürlich bist du eingeladen, alter Freund.“
„Dann muss ich noch meinen Pelz bügeln!“ sagte der Hase eilig. „Bis später!“
Der Abend der Party kam. Der ganze Wald war da. Alle waren neugierig auf das Buch. Der Fuchs trat vor das Publikum.
„Liebe Freunde und Freundinnen: Mein Name ist Hase vom Fuchs.“ Er räusperte sich und las: „Warum hat das Huhn die Straße überquert? Das ist egal, aber warum hat der Hase die Straße nicht überquert? Er wusste nicht, dass es Autos gibt!
Jedermann lachte. Jedermann außer dem Hasen.
Der Fuchs las weiter: „Warum gibt es kein Licht im Kaninchenbau? Der Hase hat Angst, dass seine Frau den Meister Lampe auswechseln würde!“ Als der Fuchs dies geschrieben hatte, lachte er eine Woche lang. Trotzdem nur knapp 50 Prozent des Publikums konnte den Witz verstehen und der Fuchs war immer stolzer über seine Klugheit. Was folgte, war so ein Fluss kerniger Beleidigungen, dass alle Tiere sich auf dem Boden herumwälzten wie ein gigantischer Pelz. Alle außer dem Hasen, der hatte sich schon in den Wald zurückgezogen und konnte die Tränen kaum zurückhalten.
Am nächsten Tag saß der Fuchs wieder neben seinem Bau. Er war ein bisschen unruhig. Der Hase sprang aus dem Busch.
„Na, wie geht’s, Autor?“
„Prima! Ich habe gestern alle Bücher verkauft und die zweite Auflage kommt! Aber wo bist du gewesen? Wir hatten die ganze Nacht Spaß!“
„Ich hatte auf einmal Lust auf Mohrrüben. Du weißt doch wie wir Hasen sind“, sagte der Hase nonchalant. „Aber du erscheinst ziemlich unruhig für jemanden, der Erfolg hat.“
„Ja, ich glaube ich habe meine Brille verloren. Sag mal, hast du sie nicht im Wald gesehen?“ fragte der Fuchs.
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase.“
„Na, das ist egal. Ich kann doch eine neue kaufen. Du weißt ja, auf Erfolg folgt das Geld?“ sprach der Fuchs mit stolzgeschwellter Brust.
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase.“
„Gut. Dein Name...“ murmelte der Fuchs. „Ja, also kannst du mir helfen? Ich muss in die Stadt gehen, aber ich glaube ich kann den Weg nicht finden, wenn ich halb blind bin.“
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase“, erwiederte dieser.
Der Fuchs blieb ein Moment still.
„Ich verstehe“, sagte er dann. „Du hast dich über meine Witze geärgert, aber du weißt doch, dass ich das nicht ernst gemeint habe?“
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase.“
„Also, das ist ziemlich ärgerlich, weißt du?“ brauste der Fuchs auf.
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase.“
Dann verlor der Fuchs die Nerven und raste in seinen Bau.
„Wo ist das Messer?“ brummte er.
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase“, antwortete der Hase, der ihm gefolgt war.
Währenddessen hatte der Fuchs das Messer gefunden und stieß in die Richtung der Stimme, aber der Hase war nicht da.
„Wo bist du?“ brüllte der Fuchs.
„Frag mich nicht. Mein Name ist Hase.“
Jetzt kam die Stimme von draußen und der Fuchs eilte hinaus, stieß, aber das Messer traf keinen Hasen. Er stieß noch einmal und dann von neuem und wieder und immer wieder, und er jagte den Hasen bis in alle Ewigkeit.
Als der Igel die Geschichte abschloß, wurde es schon hell. Er gähnte, kratzte seinen Bauch, und ging schlafen. Der Schreibtisch blieb im Sonnenaufgang stehen, genässt von Morgentau, und erörterte die Moral der Geschichte. Im Zimmer des faulen Hinterns bereitete sich das Stinktier auf einen neuen Tag vor.